Texts
MENSCH, NATUR, WIRKLICHKEIT Anmerkungen zur Ausstellung "Enigma" von Elmar Peintner von Dr. Günther Dankl
Bei strahlend blauem Himmel und Sonnenschein vor einer Hütte mit Blick auf die umgebende Bergwelt zu sitzen, scheint fürs Erste nicht der ideale Ort zu sein, um einen Text über eine Ausstellung von Elmar Peintner zu schreiben. Allzu leicht ist man an einem solchen Ort versucht, sowohl das aktuelle gesellschafts- als auch weltpolitische Geschehen auszuklammern und sich allein einer zeitlosen wirkenden ,,heilen" Naturbetrachtung hinzugeben.
Und dennoch, es sind gerade die Darstellungen der elementaren Erscheinungsformen der Natur, die sich bei einer Beschäftigung mit dem umfangreichen Schaffen Peintners zuerst ins Blickfeld schieben: Dem minutiösen Freilegen der mikroskopischen Strukturen in der Natur - von Ceflechten, Blättern und Steinen, aber auch Fels- und Gebirgsformationen - einerseits, das sich wie ein roter Faden durch das gesamte Schaffen des Künstlers zieht, steht andererseits ein steter Blick auf Menschliches und Figürliches zur Seite, das er mit demselben sezierenden Auge auf zumeist weiß grundiertem Papier oder Leinwänden festhalt. Darin äußert sich Peintners Vorliebe für Verwandlungen und Transformationen ebenso wie für Überlagerungen und Schichtungen, die seit seiner Ausbildung an der Wiener Akademie das Oeuvre des 1954 in Zams geborenen Künstlers charakterisieren.
Im Gegensatz zu seinen damaligen Studienkollegen, zu denen u. a. Siegfried Anzinger, Erwin Bohatsch, Gunter Damisch, Hubert Scheibl oder Hubert Schmalix zählten und die sich verstärkt der Malerei zuwandten und damit zu Beginn der r 98oer Jahre zum Aufbruch der "Neuen Malerei" in Österreich beitrugen, hat sich Elmar Peintner von Anfang seines 1974 begonnenen Studiums an fürdie Zeichnung und die Linie als das seiner eigenen Persönlichkeit entsprechende Ausdrucksmittel entschieden. Erst in der Folge führte er in der Kombination von Gezeichnetem und Gemaltem, mit feinstem Bleistift und Aquarell oder Eitempera dem Betrachter ein Bildgeschehen vor Auge, das sowohl Gedanken über das menschliche Sein transportiert als auch den Blick für die uns umgebende Natur schärft. Dabei greift das eine in das andere über und artikuliert somit ein weites Beziehungsfeld, in dem diffizile Naturerkundigungen und mikroskopische Formuntersuchungen ebenso ihren Platz finden wie Dinge des Alltags oder rätselhafte Kombinationen von Tier und Mensch.
"Enigma", d. h. Rätsel, lautet daher auch der Titel der Ausstellung, mit der uns der weit über die Grenzen Tirols hinaus bekannte Künstler im Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum mit seinem Schaffen aus 40 Jahren gegenübertritt. "Enigma" wird aber auch jene von Arthur Scherbius 1923 zum Patent angemeldete Maschine genannt, die dem deutschen Militär während des Zweiten Weltkrieges zur Verschlüsselung ihres Nachrichtenverkehrs diente. Und wenn auch Peintners Hauptaugenmerk in erster Linie der Natur und dem Menschen gilt, so findet sich innerhalb des reichhaltigen (Euvres auch die Darstellung einer aus einer Vielzahl von kleinen Teilen zusammengesetzten und dadurch absurd wirkenden Maschine ("OE Nr. M 92", 2013), die einem als Perpetuum mobile ausgeführten Motor oder einer eigentümlichen Maschine gleicht und somit den Titel der Ausstellung unterstreicht.
Wenngleich sich diese keineswegs als Retrospekive versteht, ist sie dennoch retrospektiv angelegt. Sie zeigt den Künstler in erster Linie mit seinem graphischen Schaffen, lenkt aber auch, wie z. B. in einer Auswahl aus seinen "Nachtbildern", den Blick auf seine Malerei. Sie beginnt mit den frühen, zum Teil noch während des Studiums entstandenen Zeichnungen und Radierungen und endet mit großformatigen aktuellen Bergdarstellungen. Während in letzteren die fein gesetzten zeichnerischen Strukturen den Prozess des Veränderns der Landschaft dokumentieren, kommt in ersteren bereits jenes Spannungsfeld von Mensch und Natur, von Erkundigung und Beobachtung sowie Sezieren und Zusammenfügen zum Ausdruck, das sein gesamtes weiteres Schaffen bestimmt. "Krieg und Frieden", 1975 entstanden und heute aktueller denn je, zeigt ein als Greise ausgeführtes spielendes Kinderpaar inmitten einer von Bomben zerstörten Landschaft. Es ist eine von Angst und Schrecken erfüllte Welt, die uns Peintner hier vor Augen führt, eine Welt, in der die Grenzen zwischen Leben und Tod aufgehoben sind, Mensch und Natur von Zerstörung und Erstarrung geprägt sind.
Von einem ähnlichen Gefühl der Erstarrung bestimmt ist auch die großformatige Radierung "Frau Hitt und ihre Kinder", Peintners Diplomarbeit, die er von 1975 bis 1979 geschaffen hat. Als literarische Vorlage und Ausgangspunkt dient ihm die bekannte Tiroler Sage um die Frau Hitt, eine Riesenkönigin, die einer Bettlerin nur einen Stein zum Essen anbietet und daraufhin von dieser als ewige Strafe zu Stein verwandelt wird. Peintner schuf jedoch keineswegs eine lllustration des Sagenstoffes, sondern vielmehr eine aktuelle, gesellschaftskritische Umsetzung. In seiner Umdeutung der Sage sind es wieder Kinder, die der Künstler, noch bevor sie erwachsen geworden sind, in einer öden Umwelt als Greise erscheinen lässt. Peintner bringt damit Jugend und Kindheit mit Alter und Betagtheit in Verbindung. Darüber hinaus ist es die ldee der Versteinerung, d. h. die Verwandlung des Lebens in Natur und die Nähe von Leben, Natur und Tod, die ihn am Stoff der Frau Hitt interessiert.
Es ist daher nicht zufällig, dass der Künstler parallel zu dieser Radierung an der Serie der "Steinmenschen" oder - unmittelbar im Anschluss daran - an den "Steinlandschaften", technisch ausgereiften und mit viel Akribie ausgeführten Zeichnungen und Radierungen von Fels- und Steinformationen, arbeitete. Die Radierungen "Der große Stein" (1975) oder "Felsen" (1977) etwa geben davon Zeugnis, aber auch "Zeichnung Nr. 115" und "Zeichnung Nr. 121", beide von 1981, die aufs Erste wie Umsetzungen von Adalbert Stifters "sanftem Gesetz" wirken, das er in seiner programmatischen Vorrede zu seinen 1853 in zwei Bänden erschienenen sechs Erzählungen "Bunte Steine" formuliert hat. Bei näherer Betrachtung wird jedoch deutlich spürbar, dass Peintners Kunstwollen nur bedingt mit Stifters Vorstellung einer Natur, die im Menschen das Reine, Gute, Wahre und Schöne zur Entfaltung bringt, zu tun hat. Im Gegenteil, die Akribie, die den "Steinlandschaften" zugrunde liegt, birgt zugleich auch Bedrohliches und Skelettierendes in sich. Im Vordergrund dabei steht nicht die realistische Annäherung an die Natur und das Abbilden von Natur, sondern vielmehr der Versuch, über den Realismus der Mikrostrukturen des Vegetativen zur physischen und psychischen Struktur des Menschen vorzudringen:"Nichts scheint für den Menschen so beständig, so zeitenthoben zu sein, wie der Stein, der Felsen und der Berg; und nichts ist so sehr derZeit verfallen, wie der Mensch, der allein von ihr weiß und dessen Bewußtsein von ihr sein Leben zu einem ,Sein zum Tod' macht. Diese beiden Pole sind für mich Symbole, die aufeinander verweisen: Strukturen und Cestalten von Felsen aufkünftiges Leben; alte Menschengesichter aufgelebtes Leben, Tod und Versteinerung." (Elmar Peintner)
"Versteinerung als Lebenswirklichkeit" wählte dementsprechend auch die Kunsthistorikerin und Publizistin Magdalena Hörmann 1984 zum Titel ihrer Besprechung des ersten großen Werkzyklus, mit dem Elmar Peintner nach dem Abschluss seines Studiums in den Jahren zwischen 1979 und 1985 in einer Reihe von Ausstellungen an die Öffentlichkeit getreten ist. Die im Fotoformat von 13 x 18 ausgeführte kleinformatige, aus der Serie "Menschenbilder" (1983) stammende aquarellierte Zeichnung "Das Fenster" von 1983 z. B. fällt in diese Schaffenszeit. Sie zeigt Gesicht, Hände und Oberkörper einer in einem Kinderkörper steckenden und aus einem geschlossenen Fenster blickenden älteren Frau mit einer Puppe. Das mit großer Realistik durchgezeichnete Gesicht, hinter dessen großen Brillengläsern die Augen starr auf den Betrachter gerichtet sind, und die an die Scheibe gepressten Kinderhände sowie der Puppenkopf vermitteln in ihrer Kombination ein nahezu beklemmendes Gefühl, dem man sich nur schwer entziehen kann. ln dieser Zeit entstanden ist auch eine Reihe von Radierungen, in denen der Künstler Texte von ihm nahestehenden Schriftstellerinnen und Schriftstellern mit seinen "Menschenbildern" in Beziehung bringt. J. D. Salinger, Peter Rosei oder llse Aichinger etwa gehören dazu, deren handgeschriebene Textauszüge einen reizvollen Kontrast zu den minutiös ausgeführten Radierungen auf der linken Seite bilden. Mehr als Erweiterung und Vertiefung zu den Texten gedacht, greifen sie einzelne Momente oder Stimmungen der ihnen gegenübergestellten Sprachbilder auf, ohne dabei illustrierend zu wirken.
Von diesen frühen Arbeiten zieht sich der Bogen des künstlerischen Schaffens über die Serie der "Naturgebilde" und "Gegensprachen", Peintners auf stockfleckigem Kanzleipapier geschaffenen zeichnerischen Protokolle von dem, was es hinter Blättern, Asten oder Rinden an mikroskopischen Feinstrukturen zu entdecken gibt, hin zu,ienen "poetischen Bilderrätseln" (Edith Schlocker), an denen der Künstler ab den r99oer Jahren zumeist in der Kombination von Gezeichnetem und Gemaltem arbeitet. Es sind Gedanken über das menschliche Sein, an denen uns Elmar Peintner auf poetische Weise verschlüsselt in Werken wie "Über die Dächer in die Häuser" (1996) oder "Pferd und Tischträger" (1998) Anteil nehmen lässt. Es geht um das Tier im Menschen ebenso wie um das Ausgesetzt- und Verletztsein; um Überlegungen zu der uns umgebenden Wirklichkeit und um scheinbar surrealistische Szenarien, die sich jedoch bei genauer Betrachtung mehr als Blick hinter die Wirklichkeit als eine vordergründige Darstellung einer "Überwirklichkeit" entpuppen. Handwerklich gekonnt legt Peintner in ihnen feinste Schichtungen von Zeichnung und sparsam eingesetzter Malerei übereinander. Die Bilder gleichen damit der Vielschichtigkeit des menschlichen Lebens, das der Künstler oftmals reich an Metaphern und Symbolen, deren er sich bedient, im großen wie im kleinen Format schildert.
Ab etwa 2002/2003 beginnt Elmar Peintner mit der bis heute unabgeschlossenen Serie der "Nachtbilder". Fernab jeglichen Illusionismus treffen in ihnen in einem neutralen, dunkel gehaltenen Schweberaum Erlebtes und Gedachtes, Reales und Vorgestelltes aufeinander und in einer spannungsvollen Beziehung zueinander. Wie aus einem Traum entsprungen wirkend, stehen dabei Körperliches, Tierisches oder Dingliches in einem spannenden Kontrast zu dem in verschiedenen Valeurs und Strukturen angelegten Blauschwarz der dunklen Nacht. So entwickelt sich ein Diskurs über Menschliches und Psychisches ebenso wie zu Fragen über die Wahrnehmung von Wirklichkeit.
Dieser oftmals inhaltlich stark aufgeladenen Bildwelt zur Seite steht Peintners parallel dazu erfolgte neuerliche Hinwendung zur Natur, die er nunmehr auf großformatigen weiß grundierten Leinwänden in einer hyperrealistischen Handschrift mittels feinster Bleistiftstriche zur Anschauung bringt. Neben Arbeiten, in denen er an die Darstellung vegetativer Strukturen der "Naturgebilde" der 198oer Jahre anknüpft, entstehen Reflexionen über Zeitabläufe, die in einer zeichnerischen Auseinandersetzung mit Schnee und Fels ihren Niederschlag finden. Die dabei entstandenen großen Gebirgslandschaften leben vom Dialog von Schwarz und Weiß, Licht und Schatten, d. h. von der auf subtile Grauschattierungen und graphische Schraffuren reduzierten Wiedergabe der gebirgigen Strukturen ebenso wie auf dem weiß ausgesparten Raum dazwischen. Peintners Eintauchen in die vor seinem Atelierfenster sich ausbreitende Gebirgswelt versteht sich somit nicht als eine romantische Annäherung oder gar pathetische Überhöhung und Verklärung, im Gegenteil, die kühle technische Perfekion ihrer Umsetzung sorg für jene notwendige Distanz, die es dem Künstler erlaubt, der Frage nach dem Wirklichen nachzugehen, ohne sich in der äußeren Wirklichkeit zu verfangen.
HUMAN BEINGS, NATURE, REALITY Notes on the exhibition "Enigma" of Elmar Peintner by Dr. Günther Dankl
Sitting in front of a mountain hut beneath cloudless blue skies and brilliant sunshine enfoying views over the distant alpine peaks does not, at first glance, seem like an ideal spot to compose a critique of Elmar Peintner's exhibition. ln surroundings like these it is just too simple to blot out the chaotic world of ongoing business and political upheavals, to cocoon oneself all alone inside a timeless, healing devotion to all-embracing nature ironically then, it is precisely this panoply of nature's most elemental forms which iumps to mind, literally forces itself into consciousness, as one reviews the wide-ranging works of Elmar Peintner. On the one hand, the most minute structures of microscopic nature are laid bare, weaving and wending their way through his complete works like a red thread - lichen, leaves and stones, and lateron, cliffs and mountain ranges; and on the other, steady, unflinching visions of human attributes and human beings rendered by the selfsame eye, usually on primed, white undercoated paper or linen. ln bundling together such polar extremities, Peintner's dedication to the transforming power of art becomes evident, as does his abiding attachment to overlapping and layered structures, hallmarks which have characterized the works of this artist, born in Zams in 1954, ever since his formal artistic education at the Vienna Academy.
Unlike his colleagues and fellow students of bygone days, numbering among others Siegfried Anzinger, Erwin Bohatsch, Gunter Damisch, Hubert Scheibl and Hubert Schmalix, who with increasing ardour turned to painting, thereby creating the wave which led to the so-called "New Painting" movement at the beginning of the 198os, Elmar Peintner was enticed from the very onset of his art education which began in 1974 by graphic art and drawing, finding in a moving line the most appropriate, in fact the ideal mode of expression for his own personality. Only much later did he find his way to join together drawing and painting, using finely pencilled lines and water colours or egg tempera paints to proffer to the viewer's eye a composite image of the human condition and glimpses of nature which are designed not so much to please as to sharpen our vision. Each component encroaches and intrudes upon its companion elements, thus articulating a far reaching, complex field of relationships in which troublesome explorations of nature and microscopic examinations of forms are accorded highly honoured places, accompanied by quotidien items and puzzling combinations of animals and human beings.
"Enigma" - the title of the exhibition at the Ferdinandeum, Tirol's State Museum - rightly draws our attention to that puzzle, the intrinsic mystery in the oeuvre of this artist whose 40 years of creative accomplishments are known far beyond the borders of his homeland Tirol nowadays. It is worth recalling that "Enigma" was also the name given to a machine patented by Arthur Scherbius in 1923 designed and avidly deployed to encrypt German military intelligence communications during World War Two. And even though Peintner's highly concentrated vision is trained above all else on nature and human beings, there is still room in his opulent range of daring creations for an absurd-looking machine assembled from a long list of tiny components which resembles a kind of perpetual motion apparatus or peculiar contraption ("OE Nr. M 92" , 2013). It underpins still further the title of the exhibition.
Although the exhibition was not conceived as a retrospective show, it is nonetheless arranged autobiographically. At the forefront it displays the artist's graphic works, then draws the eye to his paintings, including a selection of his so-called "Nocturnal Pictures". It begins with the earliest drawings and etchings, some of which hark back to his student days, and ends with his newest large-scale depictions of mountains. Whereas in the latter genre the finely stenciled structures emphasize the underlying processes of change in a landscape, the former genre displays first and foremost the fields of contrast and conflict vibrating between people and nature, containing explorations, observations, vivisections and merger as methods of expression which have remained in evidence throughout his entire artistic career since then. The work known as "War and Peace", which hails from 1975 and is today as fresh and effective as it was back then, depicts a couple of geriatric-looking children at play in the midst of a landscape which has been destroyed by bombs. lt is a world replete with fear and horror which Peintner stages, a world in which the borderlines between life and death have been cancelled, where people and nature are marked indelibly by destruction and frozen torpor.
The large-format etching called "Lady Hitt and her Children" (Peintner's graduation diploma piece, executed between 1975 and 1979) is marked by a similar feeling of something locked-into-place. The ancient Tirolean saga of Frau Hitt, the titanic queen who offered a beggar a stone for his meal and was thereupon turned to stone herself, serves as literary backdrop and point of departure for this work. However, Peintner refused to simply illustrate the contents of the legend; daring far more, he created an up-to-date viewpoint highly critical of modern society. ln his version of the myth, he again draws images of children who are old and dotty before they even grow up and presents them in an arid, barren wasteland. Peintner thus links childhood and youth intimately to old age. Beyond that, the idea of being turned to stone embodies a transmogrification of life within the bounds of nature as well as the frighteningly close proximity of life, nature and death. Those are the themes revolving around Frau Hitt which rivet the artist.
For that reason it cannot be coincidental that the artist completed a series called "Stone People" at the same time as this etching was carried out, then shortly thereafter laboured at so-called "landscapes of stone" - technically mature and meticulously executed drawings and etchings of cliffs and rock formations. The etchings "The Big Stone" (1976) and "Cliffs" (1977),for example, as well as "Drawing No. 115" and "Drawing No. 121" (both from 1981) bear witness to this attachment; they seem in the first instance to implement Adalbert Stifter's 'gentle law' which he articulated in his foreword to the two-volume book of six short stories known as "Coloured Stones" published in 1853. Closer examination, however, shows that Peintner's artistic vision of nature is only very tentatively related to Stifter's, for whom nature draws forth from human beings only what is good, pure, beautiful and truthful. Quite the contrary the fastidiousness underlying Peintner's "landscapes of stone" manifests threatening, divisive, skeletonising elements as well. At the forefront stands not a realistic approach to nature or accurate depiction, but rather an attempt, employing the techniques of realism, to penetrate through the microstructures of organic forms all the way to the physical and mental structures of human beings. "Nothing appears to be quite as constant and enduring to human beings, nothing as immutable, as stone, cliffs and mountains; and nothing breaks down undertime's deterioration as readily as human beings, the sole creature who has a claim to understand time and whose awareness of it turns human life into an 'existence pointed at death'. To me, the two extremities are like symbolic poles which commune intimately with each other: the structures and shapes of cliffs pointing out future life; ancient human visages pointing out past life, death and petrification." (Elmar Peintner)
"Petrification as the reality of life" was, understandably, the moniker selected by columnist Magdalena Hörmann in 1984 to crystallize her discussion of the first large cycle of Elmar Peintner's works which was launched at the onset of his career upon completion of his studies, in the years between 1979 and 1985, accompanied by a series of public exhibitions. For example, the watercolour drawing "The Window" from the series called "Human Pictures" (1983) in small-photograph format (13 x 18) stems from this period. lt displays the face, hands and thorax of an elderly woman inside the body of a child who is gazing out a closed window with a doll. Her visage is drawn with intense realism, the eyes stare at the viewer rigidly and lifelessly from behind huge eyeglasses. The childlike hands pressed against the windowpane together with the doll's head combine to communicate an oppressive, nightmarish feeling which is difficult to shake off. lt was during this same period that another configuration of etchings were also executed which are placed face to face by the artist with texts of literary authors whom he linked closely to his "Human Pictures", e.g. J.D.Salinger, Peter Rosei and Ilse Aichinger. Handwritten excerpts from their written works provoke a stimulating contrast to the meticulously drawn etchings on the left side. Originally conceived as a kind of extension and deepening of the literary texts, they reflect and refine single moments or feelings from the texts in the other 'column' without appearing in the slightest to be illustrations.
From these early works, the wide arc of artistic creations extends far indeed, over a series of "Nature Forms" and "Counter-Languages", Peintner's graphic protocols recorded on spotty foolscap of the microscopic structures which can be discovered behind leaves, branches and bark, all the way to the "poetic picture puzzles" (Edith Schlocker) which the artist has worked on since the 199os, usually combined with drawings and paintings. They contain reflections on human existence, encrypted in poeticways by Elmar Peintner in works such as "Overthe Roofs and the Houses" (1996) and "Horse and Table Bearer" (1998), in which he invites the viewer to actively participate. They elucidate the animal side of human beings; as well as a condition of being exposed and injured; as well as thoughts on the nature of reality surrounding us; as well as scenarios which appear surrealistic but which upon closer examination reveal themselves to be views behind reality's curtain, rather than of something specifically 'beyond reality'. With consummate craftsmanship, Peintner builds into them the finest possible layers of drawing and sparsely applied paint. The pictures thus evolve into images of the many layers of human life itself, which the artist depicts in formats large and small, often richly overlain with the metaphors and symbols which he adopts regularly.
As of a timelin e in 2002/2003, Elmar Peintner launches a series of so-called "Night Pictures" which is still incomplete. Far removed from even a whisper of illusion, they meld a neutral, dark, floating space of things both experienced and thought, things both real and imagined, into a roundup of richly contrasting and conflicting relationships. As if they had leapt from a dream, bodily, animalistic, physical things stand in stark contrast to the blue-black hues of dark night, which brings its own values and structures to bear. Thus, a discourse develops about what is human and what is mental awareness, as well as questions posed about how reality is perceived. Standing adjacent to this highly charged vision is Peintner's new found love of nature per se, a parallel discovery which he depicts as a kind of hyper-realistic handwriting by means of finest imaginable pencil lines in largeformat graphic works on white undercoated linen. Apart from works which intentionally build a bridge to the botanical structures in "Nature Forms" from the 198os, they give rise to reflections on the lapse of time which find expression in depictions of snow and rock. The huge mountain landscapes which are the outcome pulsate in a dialogue of black-andwhite, light-and-shadow, in other words as a depiction of mountainous structures reduced to subtle grey shadings and graphic cross-hatching, relating to the recesses between them, rendered across spatial whiteness. Peintner's immersion into the mountain world which unveils itself to him outside the windows of his atelier is, thus, not a romantic excursion, nor is it pathos-filled exaggeration or transfiguration. On the contrary the cool technical perfection of its implementation brings about the requisite distance to permit the artist to pose and pursue the dilemmas of reality without ever getting caught up in external Patterns or niceties.
Elmar Peintner: Die Beschreibung eines Augenblicks von Dr. Peter Assmann
Die Kunst der Linie ist eine „beschreibende“ Kunst, ein Prozess, der mit einer Zeitwahrnehmung zwischen Meditation und Spontaneität zu tun hat und mit Reflexion und intellektuellen Entscheidungen verbunden ist. Ein Bild, das durch den Prozess des Zeichnens geschaffen wird, ist immer ein Bild „der Zeit“ – es entsteht immer im Zusammenhang mit einem Weg der Orientierung, der ständig im Werden begriffen ist, mit einer damit „verbundenen“ zeitlichen Dimension.
Elmar Peintner betont diese konzeptuelle Beziehung – wenn möglich noch stärker – er arbeitet an einer Bilderwelt des Augenblicks, quasi an einem Flash einer visuellen Komposition, dies jedoch mit einer sehr detaillierten Handschrift, einer extrem feinen Linienstruktur und mit einer klaren, raffinierten Gesamtsensibilität, die nach und nach weiterentwickelt wird. Der Zeichner konzentriert sich mit all seiner Kraft auf jede kleine Phase der Beschreibung, auf jede genaue Ausrichtung seiner Linien. Er ist wie ein Wanderer in den Bergen – eines der beliebtesten Sujets des Künstlers –, der seine wohl bemessenen Schritte ohne Unterbrechung einen nach dem anderen über längere Zeit setzt und dabei alles vermeidet, was zur Eile führen könnte.
So schafft er immer eine Landschaft, eine Gesamtheit vieler Elemente, deren Summe zu einer Reise wird und nicht nur zu einem Nacheinander von „Schritten“. Ob es sich nun um menschliche Figuren oder auch nur um Gesichter handelt, das Landschaftliche wird immer zum Leitmotiv, zum Grundkonsens. Es ist seltsam, aber all dieses Leben, das so intensiv durch die Linien eingefangen wird, scheint immer auch mit dem Tod verbunden zu sein, ohne dass jede Reise in jedem Fall einen Anfang und ein Ende haben muss.
Die Linien von Elmar Peintner können auch Wege sein, Orientierungen im Chiaroscuro des Raums, in einem dunklen Weiß, das den Betrachter ins große „Nichts“ zu führen scheint, voll zahlreicher Möglichkeiten der Kreation und der Kombination. Es handelt sich um eine Annäherung mit großem Respekt sowohl an die Aura des Bildmotivs als auch an die Fähigkeit des Betrachters, die Verbindung zwischen den Formen zu erkennen, oder an die beinahe autonome Energie der Linie. Dieses Konzept des Respekts scheint aus einem gründlichen Studium der östlichen Philosophie entstanden zu sein. Dieser Respekt beinhaltet eine gewisse Distanz, auch wenn die gesamte künstlerische Arbeit von Elmar Peintner auf einer möglichst genauen Annäherung an das Detail basiert, auf der genauen Beachtung aller Gesten der Beschreibung, auch der kleinsten.
So entsteht eine andere Bildzeit, ein Umfassen verschiedener Zeiträume der Wahrnehmung, des Schaffens und der Reflexion und wieder des Schaffens und der Wahrnehmung … mit dem Zweck, immer mehr von dem zu begreifen, das man als „Welt“ beschreiben könnte, als Entität – nicht nur als Raum –, die größer ist, summarischer, aber auch profunder. Die vom Künstler erschaffenen zarten und anrührenden Figuren mit von der Zeit zerfurchten Gesichtern, mit alten Gesichtern und jungen Körpern, sprechen zu allererst von diesem Umfassen der Zeiträume und von allem, was sich in einer einzigen Inspiration zusammenfügt. Auch hier gelangen wir zu einem philosophischen Konzept, das sehr viel mit dem fernen Osten zu tun hat, mit einem Gebiet der Welt, in dem Elmar Peintner mit seiner künstlerischen Arbeit derzeit immer mehr Beachtung und Wertschätzung erfährt. Dieses künstlerische Schaffen orientiert sich an einer Synthese, an Schritten, die unternommen werden müssen, um die Analyse mit Hilfe der Beschreibung zu überwinden unter Auslotung der enormen Fähigkeit des Menschen, zu denken und durch die außergewöhnliche Freiheit der Imagination ein Werk entstehen zu lassen.
Alles, was (auch) als (spontane) „Situation“ identifiziert werden kann, wird zu einem Versuch, die Energien des Nahen, des Vertrauten in Verbindung mit dem Fernen, dem Fremden zu erklären – so als würde man in einen Spiegel sehen: Was gehört zu mir und was ist das Andere? In dieser beschreibenden künstlerischen Wirklichkeit findet alles sein Gleichgewicht, die Masse des Gebirges zusammen mit der Feder eines Vogels, die Ironie einer (Fast-)Karikatur mit der gelassenen Heiterkeit des großen Atems, das organische Wachstum der Natur und die Interaktion der Kräfte des Menschen beim Schaffen einer Komposition. „Wir nennen ein Ding schön, wenn es in konzentrierter Form die Eigenschaften aufweist, die uns persönlich oder als Gesellschaft fehlen. Wir respektieren einen Stil, der uns wegführen kann von dem, was wir fürchten, und hin zu dem, nach dem wir uns sehnen: einen Stil, der die korrekte Dosis der Tugenden enthält, die wir nicht haben. Dass wir Kunst überhaupt brauchen, ist ein Zeichen, dass wir fast immer der Gefahr der Unausgeglichenheit ausgesetzt sind, der Gefahr, Extreme nicht regulieren zu können, das goldene Mittel nicht zu finden zwischen den großen Gegenteilpaaren des Lebens: Langeweile und Aufregung, Vernunft und Fantasie, Einfachheit und Komplexität, Sicherheit und Gefahr, Knappheit und Luxus“ (Alain de Botton).
Der Kunst von Elmar Peintner gelingt es, diese Themen zu behandeln und dabei immer einen Schritt voraus zu sein, auf der Schwelle zu einem noch weiteren Schaffen, einem, das offener ist, als wir, die Besucher seiner „Schatten“, in der Lage sind, uns vorzustellen.
Dr. Eva Gratl in: ARBEITEN. LAVORI IN CORSO (Katalog zur Ausstellung „unlearning categories“ im Museion in Bozen vom 26. 6. Bis 23. 8. 2020)
Elmar Peintner ist Zeichner, ein Beobachter der Natur, der in der Wirklichkeit des Sehens die Realität sprengt. Schwerpunkt im Schaffen sind Berglandschaften, die sich wegen des fehlenden Titels nicht verorten lassen. Der Bleistift schafft mit feinen, präzise gesetzten Linien Fels und Natur, Berge, die in ihrer kühlen Ausstrahlung zur Metapher werden. Sie zeigen, dass sie sich in eine andere Welt, in eine geistige, zurückgezogen haben. Der Wirklichkeit ist zu misstrauen und ihre Blässe irreal. Immer fehlt in den Bergen des Künstlers der Mensch, denn sie überschreiten die Wirklichkeit, wirken transzendental. Mikroskopische Strukturen reduzieren die Gebirgslandschaften auf das Elementare: Es geht um Stein, Schnee, Grau, Weiß und um Stille.
Dr. Eva Gratl in: ARBEITEN. LAVORI IN CORSO (Katalog zur Ausstellung „unlearning categories“ im Museion in Bozen vom 26. 6. Bis 23. 8. 2020)
Elmar Peintner è un disegnatore, un osservatore della natura che disperde la realità nella veridicità del vedere. Al centro del suo lavoro ci sono i paesaggi montani, impossibilida localizzare data l`assenza del titolo. Con lineesottili e precise, la matita crea rocciae natura, montagne che, con il loro gelido fascino, diventano una metafora. Comunicano di essersi ritirate in un altro mondo, un mondo spirituale. Non si può aver fiducia della realtà, e il suo pallore è irreale. L`uomo è il grande assente nelle montagne disegnate dall`artista, perché i monti superano la realtà e hanno un effetto transcendentale. Strutture microscopiche riducono I paesaggi montani all`elementare: pietra, neve, grigio, bianco e silenzio.
Text von Dr. Gert Ammann
Elmar Peintner ist mit voller Leidenschaft Zeichner. In seinen Motiven thematisiert er Beziehungsfelder zwischen Natur und Mensch als Reflexionen seines Lebensraums. In der Interpretation werden seine Aussagen authentisch.
In der frühen Radierung „Frau Hitt und ihre Kinder“ (1979) bilden Menschen mit porträthafter Physiognomie ein Konglomerat von Individuum und Natur. Seine Menschenbilder vermitteln eingangs meist einen Gefühlston von Isolation, Ungewissheit, Existenzangst. Für den grafischen Duktus benützt er die Radiernadel oder den Bleistift, mit Lavierungen und sparsam eingesetzten Aquarellpartien fügt er Atmosphärisches bei. Trotzdem schwebt eine Stille über diesen Motiven
Elmar Peintner konzipiert meist in Themenkomplexen. In den späten Siebzigerjahren und dann in den Achtzigerjahren widmet er sich in den „Strukturen“ Liniengespinsten auf handgeschöpftem Papier, oft auf Bögen der Außerferner Papiermanufaktur I. & A. Falger. Mit sensiblem Strich schreibt er Empfundenes von der Seele, tastet sich an Details heran, kalkuliert bewusst Verdichtungen und Freiräume mit ein, lässt sich von vorgegebenen Linien alter Kanzleiformulare oder von Wasserzeichen leiten. Darin entwickelt er Gedankenspiele, dokumentiert Erfahrungen mit der Natur. Fragmente von Pflanzen, Moosen, Sträuchern, Blättern, Ästen dienen ihm als Sujet. Sie fühlen sich an wie leere Behausungen oder Grotten, riechen wie Moder. In der Sensibilität der Zeichnung wird eine Reminiszenz an große Naturschilderer augenscheinlich: Baumstudien von Ferdinand Georg Waldmüller, Naturschilderungen von Adalbert Stifter oder minutiöse Ereignisinterpretationen in Texten von Peter Handke oder Peter Rosei lassen sich als Orientierungspositionen erahnen. Oft sind die Motive literarischen Freunden gewidmet oder eben auf Anregung von Texten modelliert. Immer geht es Peintner um die Weite und Dichte des Gebildes, um Komplexität und Räumlichkeit. In diesem Spannungsverhältnis fühlt und liest man seine Gedankenstriche. Peintner lässt dem Betrachter die Interpretation offen, doch seine Selbstreflexion schwingt immer mit.
In den Neunzigerjahren treten „Verwandlungen“ ans Licht: Dinge seiner Lebenswelt werden in Abhängigkeit oder Gegensatz zueinander gesetzt. Klar umrissene Objekte mit intensiver Binnenstruktur, Geschöpfe und Marionetten, Tiere und Menschen sind in ihrer Individualität präsent. Durch die Realität, deren Entfremdung oder Beziehungslosigkeit, dringt er in psychische Sphären ein, tastet Verunsicherung an, streift berührende biografische Momente: „Altes Fenster und Mann mit Kind auf den Armen“ (1994). Zunehmend belädt er Kompositionen mit Symbolen, Mensch und Tier treten in ein gemeinsames Spannungsfeld, Assoziationen zu deren Mentalitäten greifen ineinander. Auch Irrationalitäten werden Bild bestimmend. Immer wieder begegnet man dem Pferd, für Peintner Symbol der Freiheit, der Arbeit und des Lebens schlechthin: „Pferd und Tischträger“ (1998). Drinnen und Draußen überschneiden sich, Zeitphasen wachsen zusammen, Statisches und Flexibles vermischt sich. Überblendungen verknüpfen die Sujets zu einer neuen Wirklichkeit. Immer wieder bringt sich Elmar Peintner selbst ins Spiel, mit seinem Körper, seinen Füßen, vor allem mit seiner zeichnenden Hand und seinem kreativen Kopf.
Dazwischen schieben sich öffentliche Auftragsarbeiten: Ein großformatiges Triptychon auf geätzten Kupfertafeln (1984, Wirtschaftskammer Tirol), ein Wandbild mit Artisten auf panoramaartigen Bändern mit 24 Teilbildern in Acryl auf Leinwand (2003, Congress Innsbruck). Stets bleibt die grafische Struktur im Zersplittern der Figuration und serieller Dynamik evident. Christliche Tradition wirkt in den Kreuzwegstationen in Landeck-Bruggen (2008/09) nach: Peintner bindet sich und sein Familienumfeld in das Geschehen der Passion Christi ein, ja die Menschen von heute werden zu Mitträgern des Leids.
In der Serie „Nocturne“ (2000/03) breitet er eine epische Schilderung von Selbsterfahrungen aus, die oft ins Dämonische gleiten: Geschöpfe mit Gefieder, Haut, Pelz werden in seltsame Zusammenhänge gedrängt, Nacht und Düsternis umhüllen Symbolbilder. Blinkende Augen von Wölfen, Adlern oder Eulen leuchten auf wie Fixpunkte, dazwischen Füße, Körper, Masken – Maske als Verhüllung, als Schutz, als Spiegel der Realität; das Konglomerat legt Befindlichkeiten offen. Autobiografisches klingt durch.
In den Zeichnungen „Transformation“ (2004) auf grundierten großformatigen Leinwänden spürt man die Affinität zu frühen Naturbildern: Nun ist aus dem Mikrokosmos ein überdimensionales Geflecht gewachsen, das mit Hohlräumen ins Dunkel abdriftet und in den lichten floralen Stegen aufblitzt. Wie Körperwesen breitet es sich beinahe über das ganze Bildfeld aus, weitet sich zu Raumgewächsen, ja zu skulpturalen Objekten. Und in der bisher letzten Werkgruppe „Fels und Schnee“ (2005/11) wird in Landschaftspartien ein permanenter Wechsel von Werden und Vergehen gegenwärtig. Apernde Schneefelder lassen beständige Felspassagen wachsen. Subtil sucht er nach Veränderungen; die Natur selbst ist Akteur dieses Wandels. Peintner vollzieht ihn frei von jedem Pathos nach.
Die subtile, stets kontrollierte Führung des Grafitstiftes und des ebenso grafisch strukturierten Eitemperaauftrages ist derart bestechend, dass man innehalten muss. Die Dimension Zeit ist bei der Betrachtung einzuplanen, um sich gewahr zu werden, wie sehr diese kläublerische Handschrift mit dem Motiv verschmilzt. Der Arbeitsprozess in der Zeichenart bedingt innere Ruhe, ernste Auseinandersetzung mit dem Konzept, das während der Arbeit zu wachsen oder sich gar zu verändern beginnt: Kein Stillehalten ist zulässig. Darin fühlt sich Peintner selbst gebunden, nein er nimmt einen missionarischen Auftrag wahr. Der Betrachter seiner Arbeiten wird von dieser Szenerie gefangen und darf nicht müde werden, die Gedankenweite und das Vokabular Peintners aufzufangen, um sich vorzutasten und darin – manchmal über Umwegen – wieder zu finden.
Elmar Peintner im Ferdinandeum von Dr. Günther Dankl
Einer der international erfolgreichsten Zeichner Österreichs zeigt ab 28. November im Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum einen Querschnitt durch sein faszinierendes zeichnerisches und druckgraphisches Werk. Werke auf Leinwand und Papier aus seinen wichtigsten Werkgruppen zeigen die brillante Handschrift des an der Wiener Akademie der Bildenden Künste ausgebildeten Melcherschüler. Peintner, der in den vergangenen Jahren zahlreiche Ausstellungen auch in Japan und China hatte und dort mit wichtigen Preisen ausgezeichnet wurde, ist sich immer selbst treu geblieben und ließ sich durch keine Moden verführen. Er ist ein stiller Beobachter der Natur und des Menschen. Gilt das Hauptaugenmerk der minutiösen Bleistiftzeichnungen seiner frühen Arbeiten zunächst einer diffizilen Naturerkundung, so beginnt er sich in seinen Radierungen parallel dazu mit dem Menschen zu beschäftigen („Frau Hitt und ihre Kinder“). Und in der Folge führt er in der Kombination von Gezeichnetem und Gemaltem, von feinstem Bleistift und Aquarell oder Eitempera dem Betrachter ein Bildgeschehen vor Auge, das zumeist tiefe Gedanken über das menschliche Sein transportiert oder den Blick auf elementare Erscheinungsformen von Natur lenkt. Für Peintner hat das Zeichnen mit dem Freilegen von Strukturen und dem Blick hinter die rein äußeren Erscheinungsformen der Natur und des Menschen zu tun. Seine mikrokosmischen Formuntersuchungen sind immer auch Teil eines größeren Geschehens, das sehr viel mit allgemeinen Lebens- und Erfahrungssituationen zu tun hat, wie umgekehrt seine präzis geführten und scharf beobachteten Auseinandersetzungen mit dem Menschen als Metapher einer sich stets verändernden Natur angesehen werden können. In seinen Arbeiten „Nächtlich Fliegender und Vogel“, „Nacht, Nest und Boot“ sowie „Grosser Fisch zwischen zwei Liegenden“ dringt er in psychische Sphären ein, tastet Verunsicherung an, streift berührend biografische Momente. Sie regen an zu Exkursionen in eigene Geschichten, real erlebten oder geträumten. Er belädt Kompositionen mit Symbolen („Nacht, Nest und Boot“), Mensch und Tier treten in ein gemeinsames Spannungsfeld („Pferd und Tischträger“), Assoziationen zu deren Mentalitäten greifen ineinander. Drinnen und Draußen überschneiden sich, Zeitphasen wachsen zusammen, Überblendungen verknüpfen die Sujets zu einer neuen Wirklichkeit („Über die Dächer in die Häuser“). Dabei spielt neben der Zeichnung auch die Farbe eine zentrale Rolle, variiert in vielen Schichten in den subtilsten Varianten des Malerischen wie Grafischen. In seiner letzten Werkgruppe „Fels und Schnee“ wird in Landschaftspartien ein permanenter Wechsel von Werden und Vergehen gegenwärtig. In der Nahsicht zeigen die engen Schraffuren grafische Strukturen, die im Spannungsverhältnis zum weißen Grund stehen und Peintner als virtuosen Dirigent der Linie und Flächenkomposition ausweisen. Im Vordergrund steht bei diesen großformatigen Bleistiftzeichnungen auf Leinwand aber nicht das Abbild, sondern die Reflexion über Zeitabläufe.
Text von Dr. Magdalena Hörmann
Feiner Bleistift im Zentrum, dazu Eitempera und Aquarell und grundiertes Papier von edler Beschaffenheit sind die Materialien, mit denen Elmar Peintner seine künstlerische Arbeit bestreitet. Gestützt auf die Wesensmerkmale der Zeichnung hat er sich in den zwanzig Jahren seines künstlerischen Lebens ein sehr persönliches Arbeitsfeld geschaffen, in das laufend neue Erprobungen und Erkenntnisse eingebracht werden. Hauptgedanken Peintners sind seit je und mit durchaus naturwissenschaftlichem Ernst auf Darstellungsmöglichkeiten für elementare Erscheinungsformen von Natur gerichtet. Z.erchnen wird unter seiner Hand zu einem paramikroskopischen Vorgang. lt zarter, zugleich ungemein fester Linienfthrung entstehen Feinstgebilde, die vegetativen Strukturen mit dem Gattungsnamen Baum, Rinde, Moos, Blatt auf der Spur sind. Die Formationen von Felsen und Steinen interessieren ebenso in dieser diffizilen Naturerkennung. Auch Stoffliches, Textiles mischt sich in die feine Mikrowelt. Schließlich sind es Gesichter und Figuren, die der scharfen Beobachtungsmethode unterzogen werden. Es geht dabei nicht ohne Bloßlegung ab und der überrealistische Ansatz gerät in die Nähe von Röntgenblick und Skelettform hinter allen Dingen. Damit ist gleichsam die zweite Methode, der zweite künstlerische Gedanke Peintners angesprochen. Er entspringt einer erzählerischen, aussagedrängenden Disposition des Künstlers, der einen Handlungsfaden aufrrehmen will, dem im Verlauf der Moderne immer wieder Bedeutung zukam. Das Bild (Blatt) zum Ort machen, wo Gegensätze existentieller Art ausgetragen werden oder ebenso Versöhnungsgeschichten erzählt werden können. Peintners mikrokosmische Formuntersuchungen werden Teil eines größeren Bildgeschehens, das mit allgemeinen Lebens- und Erfahrungssituationen zu tun haben will. Neben etwas Bestimmtes muß man immer etwas Unbestimmtes setzen, sagt Max Ernst. Und so kommt ein fast phantastischsurreales Jonglieren zustande zwischen der ,,bestimmten" Welt von naturabgeschauten oder nachgeschauten Formen und anderen Teilen der Lebenswirklichkeit, die unbestimmte Größen wie Gefühle, wie dunkle Empfindungen, wie Raum an sich, wie Schicksal, wie Weltgedanken betreffen. Die Zusammenführung beider Welten kann in einer heiteren, aphorismenhaften Form erfolgen oder schlägt die schärferen Töne von Ironie und karikaturhafter Steigerung an. Doch ist Peintner insgesamt ein sehr zurückhaltender Erzähler und liebt die feine rätselhafte Konstellation. Diesem Andeutungscharakter entspricht ein wichtiges bildsprachliches Element, nämlich die iJberführung der Bildfläche in die Qualität leerer, weißer (unbestimmter) Räumlichkeit. In einem kühlen Schwebefeld treffen Figuren der dichten körpernahen Art aufeinander, macht ein Clown seine Aufwartung, sind feinstgezeichnete TierwesenAkteure bei leicht melancholischen Begegnungen mit anderen (Menschen)wesen. Ein Atem von Zivilisationsschmerz liegt in der Luft und die Beschäftigung mit den Feinstrukturen bekommt die demonstrative Kraft eines Widerstandes. Welt ohne Schichten bedeutet Leere, bedeutetAbsinken in die Welt des Materialismus, sagt Joseph Beuys und stellt die Hauptfrage: wie kommen wA hier wieder heraus? Wege wie die der Blatt- und Zeichenkunst Peintners könnten ein wenig Antwort geben.
Elmar Peintner "Sichtbarkeit - Unsichtbarkeit - Wirklichkeit' Die Kunst des Erzählens - Eine Einführung in die künstlerische Arbeit von Elmar Peintner von Monika Reile
Die Kunst erzählt uns seit jeher Geschichten. lm 20. Jahrhundert allerdings, mit Einzug der Moderne in die Kunst, galt das Erzählen als unmodern. Erst im Laufe der 90er Jahre hat das Erzählen wieder Konjunktur, und wird als solches von der Kunstkritik, den Ausstellungsmachern und den Museen wieder verstärkt wahrgenommen, wie zuletzt in der Ausstellung "Stories" im Haus der Kunst im Frühjahr 2003 zu sehen war.
Elmar Peintner befindet sich da also ganz aktuell in bester Gesellschaft mit seinen erzählenden Bildern - auch wenn er sich mit seinen Arbeiten nicht nach den aktuellen Kunsttendenzen richtet, sondern konsequent seit der Akademie-Zeit seinen Weg geht.
Der Titel "Sichtbarkeit - Unsichtbarkeit - Wirklichkeit" formuliert schon die Spannung dieser Gegensätze, aber auch die geheimnisvollen Übergange.
Der Künstler Elmar Peintner, eine Person der realen Welt, aber auch Phantast in der Welt seiner Bildgeschichten, Erfinder von humorvollen Erzählungen, aber auch von Chifhen schmezlicher Gefühle oder Sarkasmus und Kritik. Welche Welt ist wirklich, welche unwirklich in den Bildern Elmar Peintners? lst wirklich gleich wahr gleich "echt', ist unwirklich gleich fremd? Was ist wahr, was unwahr in den Geschichten des Künstlers? lst wirklich gleich existent, unwirklich also nichtexistent? Welche Botschaften vermitteln bei alldem Farbe, Duktus, Formen, Zeichen, Hell und Dunkel? Was ist eindeutig? Oder ist alles variabel? Was subjektiv, was objektiv?
Der berühmte Psychoanalytiker Paul Watzlawick hat in seinem bekannten Buch "Wie wirklich ist die Wirklichkeit" hierzu einige sehr interessante Thesen aufgestellt, denn sein Buch versucht die Frage zu beantworten, "Wie wirklich ist, was wir naiv und unbesehen die Wirklichkeit zu nennen pflegen". Sein Buch handelt davon, daß die sogenannte Wirklichkeit das Ergebnis von Kommunikation ist. Der Psychoanalytiker zeigt in seinem Buch, daß unsere Alltagsauffassungen der Wirklichkeit im eigentlichen Sinn wahnhaft sind. Der Glaube, es gäbe nur eine Wirklichkeit, ist die gefährlichste aller Selbsttäuschungen, meint Watzlawick. Nach Paul Watzlawick gibt es vielmehr zahllose Wirklichkeitsauffassungen, die sehr widersprüchlich sein können, die aber alle das Ergebnis von Kommunikation sind.
Wenn es das Wesen der Kunst ist, die Wirklichkeit zu reflektieren und zu hinterfragen, und wenn es dabei die Aufgabe der Kunst ist, Gedanken und Gefühle zu versinnlichen, dann ist dies Elmar Peintner in seinem Werk aufs beste gelungen. Wir leben in Europa in einer realen lndustrie- und Dienstleistungsgesellschaft, die sich mit Vehemenz radikal verändert. Und sensible Künstler wie Elmar Peintner reagieren mit ihren Arbeiten auf diese Veränderungen der Gesellschaft. In unserer Gesellschaft geht es nicht mehr wie früher ums Überleben, sondern ums Erleben, in der Bildung und zunehmend auch in der Kunst ums "Infotainment'. Und kritische Künstler wie Elmar Peintner halten hier mit ihrer künstlerischen Arbeit dagegen.
Zu Elmar Peintners Bilder - Folge von Peter Peintner
Thematisiert wird in dem neuen Bilderzyklus von Elmar Peintner das komplexe Geflecht, in dem alles, jedes Einzelne steht: durchwirkt und durchwebt von Beziehungen, Erinnerungen, Geschichten und Geschichte, Bildern und Gerüchen, Tönen und Geräuschen, von Spiralen aus Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, Signalen aus den Genen, der Psyche, dem wahrnehmbaren und nichtwahrnehmbaren Jetzt, - durchzogen, durchkreuzt und durchtönt, gelenkt, gezogen, gelassen, vielleicht auch selbst agierend. Es ist ihm aber zuwenig, bloß eine Frage zu illustrieren. Seine neuen Arbeiten sind u. a. entstanden aus seiner Faszination über die Ungleichzeitigkeit des Gleichen - im Dorf Erde und in jedem Einzelnen von uns. Deshalb das Übereinanderschichten und Übereinanderlagern, das Ineinanderweben von Dingen und Lebewesen aus unterschiedlichen Zeiten und Lebensräumen. Daß die Überlagerung von mehreren Wellenbewegungen neue Erscheinungen hervorrufen, bewirken kann, beschreibt der physikalische Begriff der „Interferenz“: man denke an das irisierend schillernde Farbenspiel in einer Sonne beschienenen öligen Wasserlache. So steht hinter Peintners zeitaufwediger Arbeitsweise auch die große Neugier auf Neues, Unerwartetes, in dem das scheinbare Nebeneinander der „Dinge“ für einen möglichen und in jeder Hinsicht transitorischen Augenblick zu einer neuen Einheit wird.
Elmar Peintner. Wirklichkeiten von Markus Neuwirth
Die hyperrealistischen Fähigkeiten eines Zeichners und Malers sollten nicht darüber hinwegtäuschen, dass dieser der Wirklichkeit, oder vielmehr dem, was wir als solche verbuchen, zutiefst misstraut. Gerade deswegen. Der zweite Blick auf die Werke von Elmar Peintner deckt die Befragung des Sichtbaren auf. Die Detailformen eines Gebirges, fein mit verschiedenen Stifthärten strichliert, drängen aus dem hellen Bildträger. Die weißen, mehrfachen Lasuren der Grundierung über Leinwand oder Papier bringen die winzigen, dunklen Linien zum Vibrieren und Pulsieren. Der Bildgrund repräsentiert Schnee. Die Leerstelle bedeutet etwas. Erst der Zusammenhang, den die Betrachtenden hineinschicken, kommt als Bild heraus. Elmar Peintner fordert lebhaft und lebendig zur Mitarbeit auf. Die Augen springen von Detail zu Detail, das jeweils extrem veristisch entgegen sticht. Doch das minutiös gesetzte Helldunkel, das die plastischen, tastbaren Werte übermittelt, darf nur als Initialzündung eines Erkenntnisprozesses verstanden werden. Der Hyperrealismus muss im Konzext und in den Fragenkanon zur Wirklichkeit eingebettet werden.
Bereits die frühe, große Radierung Frau Hitt und ihre Kinder, nach Jahren der Arbeit an der Druckplatte 1979 vollendet, lässt einige Strategien anklingen. Die alten, vom Leben gezeichneten Häupter sitzen auf kindlichen Körpern. Allein aus dem bipolaren Konstrukt entsteht der Faktor Zeit. Eine Frau liegt in der Felsenspitze eingeschlossen. Selbst ohne die Sage von Frau Hitt zu kennen, ist die Verschmelzung von Gebirge, Verwitterung, die Konsequenz eines Lebens in Extremlagen nachvollziehbar. Rechts kniet der Künstler perspektivisch zurückversetzt auf einer Mauer. Das Ich verankert sich ausweglos im Strom der Zeit und in der Abfolge visueller Irritationen. Das Blatt besitzt Programmcharakter.
In vielen Bildern bedient sich Peintner eines Kunstgriffes, der Bezüge herstellt, etwa in Pferd unter langem Tisch. Gegenstände, Tiere und Menschen fasst der Künstler extrem realistisch auf, aber er lässt sie einander geisterhaft durchdringen oder er stellt sie in einen – nur für den ersten Moment – grotesken Bezug. Die Kunstwerke übernehmen das Anstoßen von Reflexion. Die Suche nach Verortung im Bildraum und nach dreidimensionaler Sicherheit im Gefüge bedeutet lediglich den Start ins Bildinnere. Noch stärker auf die Perzeption, auf die Wahrnehmung fokussierend, drängen Bilder mit aggressiverem Unterton, mit dem sich Peintner auffallend und symptomatisch zurückhält. Dem Wolf die Tür öffnen sollte nicht schlicht als Fabel gelesen werden, sondern als genaueres, psychologisches Erleben der Grenzendes Subjekts. Das scheinbare Lächeln des Wolfes mit treuherzigen Augen erhöht die Gefährlichkeit der Situation. Da er ohnehin mit seinem ätherischen Körper die anderen Gegenstände durchdringt, hebt sich die Grenzziehung auf. Das Paradoxon verdoppelt die Aussagekraft. Die Tiere in Peintners Werk sind Medien der menschlichen Kommunikation, abseits des Fabel- oder Gleichnishaften. Das Animalische schlägt in Menschsein um und retour.
Elmar Peintner macht gerne auf die Bedeutung der Schriften von Paul Watzlawick aufmerksam. Der 1921 in Villach/Kärnten geborene Psychotherapeut und Wahrnehmungspsychologe war Professor in El Salvador, dann Forschungsbeauftragter am Mental Research Institute in Palo Alto/Kalifornien und lehrte in der Folge an der Stanford University. In den 70er Jahren des 20. Jhs. wurden seine Schriften auf Deutsch und in anderen Sprachen verstärkt verlegt, so dass sich in Europa bis heute eine große Wirkmacht insbesondere in den pädagogischen Bereichen entfalten konnte. Das deckt sich zeitlich mit dem Studium in Wien und der Entwicklung der persönlichen Werkgenese von Elmar Peintner. Mit dem Buch Wie wirklich ist die Wirklichkeit?Wahn, Täuschung, Verstehen zog Watzlawick gleichsam eine Summe seiner klinischen Untersuchungen und Experimente bzw. der Forschungen seiner Kollegenschaft. Im Zentrum steht die Erkenntnis, dass dasjenige, was wir als Wirklichkeit zu erkennen und zu benennen glauben, ein bloßes Konstrukt ist. Erst das komplexe Zusammenspiel der Wahrnehmungsapparate des Menschen über Zeiträume und besonders die Kommunikation erschaffen das Gebilde, das wir als Wirklichkeit betiteln. Den Sprachen im weitesten Sinn ist dabei eine erhöhte Potenz zuzuschreiben. Hier setzten die Forscher den Hebel bei den Tieren und ihren besonderen Fähigkeiten an, um Rückschlüsse auf den Menschen, auch in der Verständigung zwischen den beiden, zu erlauben. Die Entdeckungen waren oft mit experimentellen Rückschlägen verbunden, die aber gerade deshalb den Menschen gnadenlos als „höheres“ Tier enttarnten.
Watzlawick zitiert in diesem Zusammenhang Heini Hediger: „Wir sind für das Tier oft in einer für uns unangenehmen Weise durchsichtig. Diese in gewissem Sinne peinliche Erkenntnis ist in der Tierpsychologie bisher merkwürdigerweise immer nur ein Gegenstand der Verdrängung und nie ein Ausgangspunkt positiver Untersuchungen im Sinne intensiverer Verstehens- und Verständigungsmöglichkeiten gewesen“. Das Interesse für Kommunikationsmittel und die Sprachen allgemein teilt Watzlawick mit dem für Südtirol so wichtigen Ernst von Glasersfeld, der in Meran aufgewachsen und nach dem 2. Weltkrieg dorthin zurückgekehrt ist, unter anderem schreibt er hier für die Zeitung Der Standpunkt Buchbesprechungen und Kunstkritiken. Als Kybernetiker und Sprachpsychologe (Schimpansen bilden einen Teil der Untersuchungsfelder) arbeitete er dann hauptsächlich in Mailand und den USA an Übersetzungsproblemen via Computer. Glasersfeld schreibt für das 1981 von Watzlawick herausgegebene Buch Die erfundene Wirklichkeit den Aufsatz Einführung in den radikalen Konstruktivismus, der die Wirklichkeit als komplettes Konstrukt des Subjekts aufdeckt.
Die Welt der sichtbaren und tastbaren Dinge, die wir als so sicher voraussetzen und als Sicherheit so dringend benötigen, um unsere Orientierung und unser Überleben zu garantieren, erfährt auf diese Weise eine Destabilisierung und das Ich eine neue Verantwortung. Elmar Peintner nimmt sie über die bildende Kunst wahr. Die Konzentration auf diese Grundfragen tauchen immer wieder in Schlüsselbildern auf. In Der Turm im Kopf projizieren die Betrachtenden, sich vor dem Bild befindend, scheinbar als Lichtquelle den Schatten des Turms ins Bild. Im Turmschatten ist das Selbstporträt. Das Ich des Künstlers kommuniziert mit dem Publikum und thematisiert sich selbst und diesen Transfer. Die dargestellten Augen des Künstlers werden vom Objekt und seiner Projektion umfasst. Mit der Bezugsetzung mehrerer Realitätsebenen gibt das Werk seine Theorieladung preis. Doch auch abseits dieser gedankenschweren Verknüpfungen wird klar, dass diese intellektuellen Auseinandersetzungen visuell nicht funktionieren würden, hätte der Künstler nicht die Gabe der strengen mimetischen, naturnachahmenden Fertigkeit. Wegen ihrer Stringenz lohnt sich ein Blick auf dieses Vermögen. Mit fotografischer Präzision gestaltet Peintner die Hell-Dunkel-Tönungen seiner Figuren. Die plastischen Werte, die daraus entstehen, setzen eine wohl temperierte Abwägung von Kontrasten voraus. Dass der Künstler intensiv an diesen Herausforderungen arbeitet, sieht man buchstäblich an der Gruppe der Nacht-Bilder. In ihnen kehrt er das Prinzip des Herausdringens aus dem Hellen einfach um. Aus tief blauen, fein abgestuften Gründen in Eitempera mit zarten Valeurs dringen helle Figuren heraus: eine weiße Taube, ein heller Tiger, ein weißer Wolf. Diese wiederum treten mit menschlichen Gestalten und Gegenständen in Dialog.
Damit wird wieder die Kommunikation als Stiftung der Wirklichkeit evident. Das veristisch Dargestellte und seine Relationen agieren allerdings in Schwebefeldern. Das Bildinnere wird als Gesamtraum dreidimensional nicht so ausgedeutet, dass wir die hyperrealistischen Details einfach verorten dürfen. Selbst die Berge bekommen links und rechts, oben und unten Freiräume. Absichtsvoll entschlägt sich Elmar Peintner der Kategorie der Eindeutigkeit. Psychische Dimensionen greifen überall zu, ohne dass wir Lösungen erkunden können. Die Werke sind Suchbilder der Wirklichkeiten. Es sind Antworten auf Fragesätze, die erst zu finden sind.